Ein Kommentar des ASK Geschäftsführer Karsten Jagau.
In der letzten Sitzung der Stadtvertretung Schwerin (Mai 2022) ist etwas passiert, das wir nicht so schnell vergessen sollten.
Der Fraktionsvorsitzende der CDU/FDP Fraktion, Gerd Rudolf, erklärte folgendes:
Nachzuhören in der Aufzeichnung der Stadtvertretung auf der HP der Landeshauptstadt Schwerin, TOP 28, Zeitstempel 2:37:40
Gerd Rudolf: „Meine Fraktion wird diesen Antrag nicht unterstützen (…) Eine Anmerkung allgemeiner Natur habe ich, Herr Martini. Die Stadtvertretung besteht aus 45 Mitgliedern. Ich habe eine Bitte. Sie haben heute 7 Anträge (gestellt), auf der Tagesordnung sind 35. Das ist ein Fünftel! Sie sind ein Fünfundvierzigstel der Stadtvertretung! Ich Maße mir nicht an Sie zu zügeln mit ihrer Antragsflut. Aber sie gehen bei und überfordern die Fraktionen und sie legen in einigen Teilen auch die Verwaltung lahm (..) kommen sie mit weniger, dann erreichen sie mehr. Dann haben sie auch unsere Unterstützung. Wir wollen ihnen heute mitgeben, das wir bei der Quantität und bei dieser Art und Weise dieses Haus zu dominieren nicht mitmachen und werden deshalb ihre Anträge ablehnen. Das ist ein klares Zeichen. (…)“
Die CDU/FDP StadtvertreterInnen stimmen mit NEIN, weil es so viele Anträge sind und damit die Fraktion überfordert ist! Durch die CDU/FDP Blockadeposition ist es eine faktische Drohung zum „Zügeln (..) ihrer Antragsflut“, entgegen der verbalen Äußerung von Gerd Rudolf.
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, um es in Ruhe durch die Gehirnwindungen zirkulieren zu lassen.
Man kann es schlicht als Lob für die [ASK] verstehen, weil ein einziger ASK-Stadtvertreter mehr Arbeit durch Anträge und Anfragen in die Stadtpolitik einbringt, als die 10 StadtvertreterInnen der CDU/FDP.
Dieses Lob für die ASK macht andererseits deutlich, wie wenig Arbeit die fast 25% der Stadtvertreter für die Gerd Rudolf als Fraktionschef spricht, für die Landeshauptstadt erbringen! Zumal nach Aussage von Gerd Rudolf, die Anträge die Fraktion überfordert haben!
Zum Anderen kann man feststellen, dass die ASK nach der Tagesordnung 8 Anträge gestellt hat. Gerd Rudolf kommt nur auf 7 Anträge; die Überforderung scheint also schon viel früher zu beginnen, als die Rede ausdrückt.
Da nach Gerd Rudolf durch Anfragen und Anträge „die Verwaltung in einigen Teilen lahmgelegt“ sei, wundert mich auch die Nicht-Reaktion des Oberbürgermeisters zu dieser Feststellung, die seine Verwaltung als in Teilen „unfähig“ definierte.
Neben dieser sicherlich berechtigten Selbsteinschätzung der geringen Arbeitsfähigkeit der CDU/FDP Fraktion durch ihren Vorsitzenden, enthält die Aussage auch mehrere ernsthafte Probleme!
- Die Bevölkerung wählt die Stadtvertreter,
- damit diese die Kontrolle über die Verwaltung und dem Oberbürgermeister als gewähltem Verwaltungsleiter auch durch Anfragen ausüben.
- Und damit die gewählten Stadtvertreter Aufgaben an die Verwaltung über Anträge, die in der Stadtvertretung beschlossen werden müssen, sowie über Prüfanträge und Anfragen stellen.
Weder in der Kommunalverfassung, noch in der Geschäftsordnung der Stadtvertretung gibt es eine Begrenzung, wie viele Anträge und Anfragen ein Stadtvertreter stellen darf. Gerd Rudolf argumentiert somit gegen die Kommunalverfassung und die Geschäftsordnung der Stadtvertretung und will demokratisch gesicherte Rechte der Stadtvertreter eingrenzen – durch angekündigte Arbeitsverweigerung der CDU/FDP Fraktion und eine Blockadepolitik, die dem in der Kommunalverfassung im § 23 (3) festgelegten Mitarbeitspflicht zuwiderläuft.
- Wegen dem oben Genannten war ich verwundert, dass der Stadtpräsident dazu geschwiegen hat. Die Kommunalverfassung soll in der Stadtvertretung nach Aussage von Gerd Rudolf (CDU) nicht mehr gelten, bzw. ausgehebelt werden, durch Verweigerung der Tätigkeit, für die die Stadtvertreter gewählt wurden. Demokratie soll so eingegrenzt werden! Und der Stadtpräsident schweigt dazu, anstatt diesen Erpressungsversuch des CDU/FDP Fraktionsvorsitzenden zu rügen.
- Da der Faktionsvorsitzende seine ganze Fraktion einbezieht, klingt es nach einem Fraktionszwang für alle StadtvertreterInnen der CDU/FDP. Fraktionszwang ist aber etwas, das weder nach dem Grundgesetz noch nach der Kommunalverfassung rechtens ist. Auch das ist ein Angriff auf die demokratischen Grundlagen. Nach der Kommunalverfassung hat der/die gewählte StadtvertreterIn sich nur nach ihrem/seinem Gewissen zu richten, sowie nach dem Gemeinwohl der Bürgerinnen und Bürger. Auch hier wird deutlich, dass der Fraktionsvorsitzende Gerd Rudolf gegen die Demokratie agiert hat.
- Mich wundert an der Stelle das Schweigen der FDP Mitglieder der Fraktion. Denn ein Kernpunkt der FDP ist normalerweise die Sicherung demokratischer Strukturen. In diesem Fall offensichtlich nicht.
- Gerd Rudolf sprach auch die Sitzungsökonomie an. Auch das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Die Sitzungen gingen früher immer bis 22.00 Uhr und danach begann der nicht-öffentliche Sitzungsteil der Stadtvertretung. Meist war das Ende der Stadtvertretung um 22.30 Uhr. Auf der Sitzung war die Sitzungsökonomie derart „problematisch“, dass trotz der von Gerd Rudolf beklagten Zeitvergeudung durch die Vielzahl der Anträge der ASK schon um 21.30 Uhr der Nicht-Öffentlichen Sitzungsteil beendet war. 60 Minuten kürzer als in der Vergangenheit! Also auch hier nur heiße Luft durch Gerd Rudolf.
- Wenn wir uns dann noch den Inhalt der Anträge ansehen, den die CDU/FDP pauschal ablehnen wollte, dann haben wir da auch eine interessante Themenwahl.
Hier alle 8 Anträge der ASK auf der Mai Sitzung der Stadtvertretung.
Anträge der [ASK], die die CDU/FDP mit diskutiert hat:
Strassenmusik bei Festen lockern
Altstadtfest 2022 sichern
Hundeauslaufflächen umzäunen
Anträge die Gerd Rudolf für die CDU/FDP pauschal abgelehnt hat, weil diese die Fraktion „überfordert“ haben und um gegen die Quantität der ASK-Anträge ein klares Zeichen zu setzen:
gemeinnützige Vereine unterstützen
Tierheim Schwerin stärken
Nachhaltigkeitspreis der Landeshauptstadt einführen
Lebensmittelausgabe/Tafel unterstützen
Kindertagespflegepersonen unterstützen
Ich frage mich daher: war es nur für die Öffentlichkeit eine Ablehnung wegen „der Quantität der Anträge“, oder weil die Anträge soziale Themen beinhalte haben, die die CDU/FDP nicht öffentlich ablehnen wollte? Wollte Gerd Rudolf lieber als antidemokratisch denn als antichristlich und asozial erscheinen? Erscheint mir durchaus plausibel.
- Anzahl Anträge in den diesjährigen Stadtvertretungen:
CDU/FDP ASK Fraktion
Januar 2 9
März 3 6
Mai 3 8 - Aufgaben der Stadtvertreter
Nach der Kommunalverfassung:
§23 (3) die Mitglieder der Stadtvertretung üben ihr Mandat (…) Nach ihrer freien, nur dem Gemeinwohl verpflichteten Überzeugung aus. …
Die Mitglieder der Stadtvertretung sind zur Teilnahme an den Sitzungen und zur Mitarbeit verpflichtet.
(4) Jedes Mitglied der Stadtvertretung ist berechtigt (…) Anträge zu stellen.
§ 34 (3) jeder Stadtvertreter kann an den Oberbürgermeister Anfragen stellen.